Teil 3
Hilf mir, es selbst zu tun...
Ein großer Satz von einer großen Frau – Maria Montessori, die dies zum Leitfaden ihrer Pädagogik machte. Nachdem Lernen erwiesener Maßen bei allen Lebewesen auf die selbe Art und Weise funktioniert, lässt er sich ohne Bedenken ins Verhaltenstraining übertragen.
Denn dieser Satz steht dafür, dass wir als Lernbegleiter_innen – und nichts Anderes sind wir als Adoptant_innen und Trainer_innen - die Verantwortung übernehmen, Abläufe, Umgebung und Lernschritte so zu gestalten, dass das lernende Lebewesen möglichst eigenständig zum Erfolg gelangen kann. Diese Lernerfolge und damit einhergehenden positiven Veränderungen sind die Nachhaltigsten.
Der Anspruch an uns Begleitende dabei ist hoch – Flexibilität in den Zielsetzungen,ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren, Alternativen in petto haben, die Entscheidung über das Lerntempo aus der Hand geben können, Lernschritte in kleinstmögliche Einheiten herunterbrechen, sich ein „Warum?“ stets beantworten und auch mal ein, zwei Schritte zurückgehen können. Überreichlich ist jedoch die Belohnung, wenn man die Erfolge bestaunen darf.
Womit wir bei Sir Gildin wären...
„Der kleine Gildin ist schon abgeholt!“... und zwar genau von dort, wo er stand. Oder lag, besser gesagt. Im Hundebettchen.

Unser Training ist ausschließlich belohnungsbasiert – doch wie hol ich einen Hund ab, der das Prinzip der Belohnung aufgrund seines Lebensweges nicht kennt und auch außer Stande ist, Angebotenes anzunehmen?
Ich schaffe ihm die Möglichkeit, sich selbst zu belohnen. Jede seiner Aktionen und besonders jeder Ansatz von Kommunikation löst für ihn etwas Angenehmes aus.
„Yes, I can!“
Ganz zu Beginn musste ich ja einige Male seine kleine Matratze waschen, weil die Angst vor dem Verlassen des sicheren Hafens größer war als das Ungemach, im eigenen Pfützchen zu liegen. Also pflasterte ich seinen Weg Richtung Wickelunterlage mit kleinen Fuzelchen Chicken-Nuggets oder BBQ-Wings. Nicht die optimale Ernährung, aber das hat in dem Moment nicht Priorität.

Alles Weitere überließ ich Gildins Entscheidung. Um ihm die zu erleichtern, blieb die Zimmertür jeweils mindestens zwei Stunden geschlossen.
Wurde eine Spur einmal nicht angenommen, landeten einige Goodies am Rand des Hundebettchens zur freien Entnahme. Auch die Entscheidung gegen einen Ausflug in dem Moment hat Gründe und verdient Anerkennung.
Die Spuren wurden länger, die Zeit der geschlossenen Türe kürzer, und binnen zwei Tagen eroberte Gildin die Terrasse, die Hütte und sein Rollrasen-Klo.
Ich begann, im Zimmer zu bleiben und unauffällig Fotos zu machen.
Gildin begann, das kaum noch störend zu finden, und im ersten Eifer übersehene Leckerlis in meine Richtung beim Zurückkommen aufzuklauben.
Am dritten Tag fiel ihm beim Hereinkommen auf, dass da noch ein weiteres Hundebett steht,

und dahinter ein weiteres Bett, das auf Erforschung wartet. Meins.
Drin war er – und es war einer MEINER Belohnungsmomente, weil aufgegangen war, was ich erhofft hatte.

Es ist das erste Foto, auf dem mich der kleine Sir direkt, ohne Scheu ansieht.
Erfolg zu haben macht eben stolz , selbstzufrieden und mutig. Und sich gut zu fühlen gehört zu den besten Belohnungen überhaupt.

Handfütterung – ja, nein?
Oft wird bei Angsthunden zu ausschließlicher Handfütterung geraten, damit sie sich „an den Menschen gewöhnen“. Ich halte diese Vorgehensweise für unempathisch, zwangsbasiert und nicht zielführend. Ähnlich wie das Abstellen von Futter und Wasser außer Reichweite.
Ihr erinnert euch – Hungern, Dursten oder Angst zu haben sind keine bestärkenden Wahlmöglichkeiten, sondern die Auswahl zwischen zwei Notsituationen.
Willkommen Stresshormone, bye-bye Lernen. Die zwei vertragen sich einfach nicht.
Trotzdem zeigen die folgenden Fotos, wie mir Gildin Hühnchen von den Fingern nascht.
Zwischen den Aufnahmen liegen viele Zwischenschritte, viele Vors und Zurücks.
Die Erkenntnis, dass von menschlicher Hand Gutes kommt, war nur ein ferner-liefen-Ziel.
In was ich ihn hier bestärke, ist Kommunikation und Entscheidung.
Der Unterschied zur Handfütterung besteht darin, dass Gildin mir jederzeit „Nein“ signalisieren kann (dazu genügen kleinste Augen- oder Ohrenbewegungen) und damit bewirken kann, dass die Hand, gegebenenfalls auch ich, sofort weggehen oder ich die Übung gar nicht starte.
Das Hühnchen bleibt trotzdem!
Das gibt ihm das Selbstvertrauen, auszuprobieren, wie es ist, wenn er „Ja“ sagt. Er weiß, dass er die Situation jederzeit durch kleinste Signale beenden kann und dadurch keinen Nachteil erfährt, weil das Hühnchen ist sowieso Seins.
Mittlerweile trifft mich beim Betreten seiner Kemenate ein erwartungsvoller Blick, der auch nicht mehr flackert, wenn ich ihn kurz ansehe.
Es geht bergauf mir unserem kleinen Silberfunken – jeder Anstieg ist anstrengend, irgendwann wird auch mal ein Plateau folgen oder ein kleiner Zwischenabstieg.
Das ist ok – das nennt man Leben!
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Es ist die reine Freude, beinahe atemlos die winzigen Schritte mit zu verfolgen, die trotzdem zu einer Wegstrecke werden....