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vertrauen geben für den sprung über den eigenen schatten


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Vertrauen geben für den Sprung über den eigenen Schatten

In dem Beziehungsgeflecht Mensch-Hund hat der Mensch als Fürsorgepflichtiger dem Hund einen schützenden Rahmen zu bieten, in dem er sich entwickeln kann, in dem er sich schwierigen Situationen stellen und sie meistern kann.

Kennen Sie nicht auch das beruhigende Gefühl, einen Vertrauten im Rücken zu wissen, auf den Sie zählen können? Wie viel leichterfällt es so, auch zunächst Befremdlichem zu begegnen!

Forschungsreisen und Abstecher in unbekannte Gefilde kommen einem Himmelfahrtskommando gleich, wenn man sich nicht über einen Notfallplan abgesichert hat. Wie gefährlich und fahrlässig ist es, wenn in der Not niemand zu Hilfe gerufen werden kann, der verlässlich alles unternehmen wird, die Gefahr zu bannen. Dem sicheren Rückhalt kommt also eine existentielle Bedeutung zu. Das macht deutlich, wie sträflich der Ratschlag ist, seinen Hund in seiner Bedrängnis alleine zu lassen, um ihn nicht angeblich in seinen Ängsten zu bestätigen. Zeigen Sie ihm Ihre Zuneigung und lassen Sie ihn nicht gerade dann im Stich, wenn er Sie am nötigsten braucht! Sie dürfen ihm getrost „die Pfote halten“, wenn er Sicherheit und Schutz braucht!

Ich möchte Ihnen die Sorge nehmen, den Hund durch Beistand unselbständig werden zu lassen und seine Hilfslosigkeit sogar noch zu verstärken. Hierzu stelle ich Ihnen „den Sprung über den eigenen Schatten“ vor. Er zeigt, wie der Hund in empfundenen schwierigen Situationen den Schutz des Menschen wahrnimmt, wieviel Zuversicht und Mut er erhält, und wie dadurch unkontrollierbar erlebter Stress in kontrollierbar erlebten Stress umgewandelt wird.

Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Schwimmbad zum ersten Mal oder die ersten verzagten Male auf dem 10m Brett. Sie trauen sich kaum an den Rand, gucken nur verzagt in den Abgrund, Sie klammern sich am Geländer fest. Wie gut tut es, dann einen Freund, einen Bindungspartner, an seiner Seite zu wissen, der Mut zuspricht, der Sie ermutigend anlächelt und sogar Ihre Hand hält, wenn man schon recht weit vorne steht und das Geländer nicht in unmittelbarer Reichweite ist. Sie werden zwei Schritte zurückgehen, vielleicht sogar zurück bis zur Leiter, auf der Sie hochgeklettert waren und die für Sie der Notausstieg ist. Die Leiter gibt Ihnen die Sicherheit, sich selbständig aus der Gefahr entfernen zu können. In gebührendem Sicherheitsabstand zur „Gefahr“ können Sie wieder durchatmen und Mut schöpfen. So gestärkt trauen Sie sich wieder nach vorne, merken, dass Ihnen für den Absprung doch noch der Mut fehlt. Sie weichen wieder zurück, um Zuversicht zu tanken und Beistand zu bekommen, um dann im Wissen um jemanden, der es gut mit Ihnen meint und der an Sie glaubt, den Sprung zu wagen. Egal wie ungelenk der Sprung aussieht, egal wie lange Sie oben zögerten: Sie haben sich getraut! Applaus! Sie sind stolz auf sich und lassen sich gerne von ihrem Freund, Ihrer Vertrauensperson, feiern.

Der erlittene Stress wird als kontrollierbar erlebt, aus der Belastung wird eine Herausforderung und das Selbstbewusstsein erhält einen Aufschwung. Selbst wenn Sie über die Leiter wieder den Sprungturm heruntergeklettert sind, haben Sie sich ein Lob verdient! Sie haben sich Ihren Ängsten gestellt und bereits den ersten Schritt getan! Der zweite wird folgen!

Nun stellen Sie sich andere Begleitumstände vor: Sie stehen zum ersten Mal bzw. die ersten verzagten Male auf dem 10m Brett und die Leiter, über die Sie hochgeklettert sind, wird entfernt. Ihr Notausstieg ist Ihnen somit genommen! Sie spüren den Druck, dass es keinen Ausweg gibt, sondern nur noch den Weg über das Sprungbrett, was Ihre Angst verstärkt. Fehlt nun auch noch ein Freund, der Ihnen gut zuredet, dann fühlen Sie sich verloren. Stellen Sie sich weiterhin vor, dass noch jemand mit Ihnen auf dem 10m Brett steht. Aber nicht, um Ihnen Mut zuzureden und Ihnen Zuversicht zu geben, sondern um sich über Ihre Sorge lustig zu machen und Sie verächtlich anzugucken, wenn Sie zurückweichen. Jetzt gesellt sich sozialer Stress zu dem Stress angesichts des Sprungs. Verachtung, Häme und Spott des anderen spiegeln sich nicht nur in seinem Tonfall wider, sondern sie lassen sich auch an seinem Gesicht ablesen. Wie für Sie ist es auch für den Hund nicht schwer, dies wahrzunehmen. Dass Hunde die menschliche Mimik lesen können und somit auch Emotionen in Gesichtern von Artfremden erkennen können, war für mich immer offensichtlich und selbstverständlich. 2015 wurde dies endlich nachgewiesen (Müller, C.A; Schmitt, K.; Barber, A.L.A.; Huber, L.: Dogs Can Discriminate Emotional Expressions of Human Faces; Volume 25, Issue 5, 2 March 2015, Pages 601–605, current biology) und überzeugt nun hoffentlich auch die letzten Zweifler.

Wenn es nicht nur bei der bloßen Anwesenheit des unfreundlichen Anderen bleibt, sondern dieser auch noch körperlich auf Sie einwirkt und Sie mit einem befehlshaberischem „BLEIB!“ zwingt, direkt am Abgrund stehen zu bleiben, da Ihr Zurückweichen Sie angeblich in Ihrer Angst bestätigen würde, dann nehmen Stress und Angst immer mehr zu. Die Steigerung wäre, wenn dieser „Dummteur“ :-) Ihnen deutlich genervt und mit übler Laune noch einen Schubs gibt, damit Sie endlich losspringen. Ein gutes Gefühl kann dabei nicht aufkommen, und der erfahrene Stress wird als unkontrollierbar erlebt. Macht der anderen sich dann auch noch über Sie lustig und lässt er Sie seine Verachtung spüren „Warum denn nicht gleich, das war doch so simpel!“, erfahren Ihr Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein eine wahre Talfahrt.

Bei beiden vorgestellten Varianten ist der Sprung erfolgt, aber wie steht es um Ihre Gefühle und Ihre Bereitschaft, solch eine Belastung erneut anzugehen? Die erste Variante macht Lust auf Herausforderungen und bestätigt Ihnen, dass Ihr Freund neben Ihnen wirklich ein Freund ist, wohingegen die zweite Variante sich wie ein Sprung ins Verderben anfühlt und emotional nach unten zieht; Sie werden sich nicht freiwillig ein weiteres Mal dieser oder einer ähnlichen Belastung aussetzen.

So wie Ihnen auf dem 10m Brett in den beiden Szenarien, ergeht es dem Hund in belastenden Situationen. Möchten Sie, dass der Mensch, der sie kaltherzig ohne Rücksicht auf Ihre Befindlichkeiten schubst, Ihr Bindungspartner ist? Würden Sie überhaupt solch einen Menschen als „fürsorglichen Bindungspartner“ wahrnehmen? Von Fürsorge ist er weit entfernt, und nur weil er Ihnen Nahrung gibt, ist er als Bindungspartner noch lange nicht tauglich.

Videobeispiel („Cri Cri springt ins Auto“ / https://www.youtube.com/watch?v=9kogk0LJDqQ)

Im Video „Cri Cri springt ins Auto“, dass Sie hier finden können, sehen Sie Cri Cri, einen Mioritic-Mix Rüden, auf seinem persönlichen 10m Brett: das Einsteigen in das Auto. Dieses Video ist etwas länger, so dass Sie Cri Cris Entwicklung besser verfolgen können.

Aufgrund schlechter Erfahrungen hatte Cri Cri Angst, in Autos einzusteigen, und er machte auch einen großen Bogen um sie. Für nichts war er zu bewegen, einzusteigen, er sperrte sich komplett und war nur auf Flüchten aus.

Nun galt es, ihm das Autofahren als bewältigbare Herausforderung schmackhaft zu machen. Im Vorfeld baute ich ein Bestätigungsgeräusch auf, das ich mit dem Mund produziere, den Clicker kennt er ebenfalls. Für seinen „Sprung“ packte ich eine Vielzahl verschiedener Leckerli ein und – was nie vergessen werden darf - gute Laune!

Cri Cri angeleint, nähern wir uns dem Auto. Ich motiviere ihn mit aufmunternden Worten und auch mit Leckerli, sich diesem zu nähern. Die Leckerli biete ich ihm in einer Entfernung an, die er mit leichter Überwindung bewältigen kann. Würde ich sie ihm von vorne herein zu weit entfernt anbieten, nach dem Motto „Du bekommst deine Belohnung nur, wenn du den Sprung über den eigenen Schatten schaffst“, würde er nicht nach jedem erfolgten Schritt das Gefühl haben können „ich kann es ja doch!“, welches ihm den Weg zum endgültigen „Absprung“ erleichtert. Cri Cri würde stattdessen in einem „Ich kann es nicht“ stecken bleiben.

Es geht mir darum, ihm nicht über meine Aktionen, Worte und Leckerli zu vermitteln, „Du MUSST“ springen, sondern ein „Du KANNST“ springen.

Traut er sich, sich dem Wagen zu nähern, so bestätige ich dies vereinzelt mit dem Clicker. Für seinen Mut generell bekommt er mein Lob immer zu hören.

In der gesamten Trainingssituation zeige ich mich gut gelaunt, anstatt ungeduldig und resigniert zum Wagen zu schauen.

Und….Cri Cri fängt an, sich zu trauen! Man sieht, wie er seinen Körper lang macht, die Hinterbeine bleiben aber noch auf Abstand zum Auto. Ähnlich unserem Verhalten auf dem 10m Brett, wenn sich der Kopf nach vorne beugt, um einen vorsichtigen Blick in den Abgrund zu wagen, die Beine aber noch weiter hinten kleben bleiben. Nachdem Cri Cri mit Hilfe der Leckerli zweimal einen heldenhaften Blick ins Auto riskiert hat, gehe ich mit ihm wieder ein gutes Stück auf Distanz zum Auto. Um den Vergleich mit dem 10m Brett zu nehmen: ich gehe wieder auf Abstand zum „Absprung“, damit Cri Cri Zuversicht tanken kann und gut gelaunt mit mir an seiner Seite einen erneuten Anlauf wagt. Dieses Hingehen zum Auto, sich immer wieder bis an den „Abgrund“, d.h. bis an die Belastung trauen, und dann wieder in den sicheren Abstand zu gehen, um wieder tief durchzuatmen und einen erneuten Anlauf wagen zu können, wiederhole ich einige Male.

Videosequenz 0:40

Das Zurückgehen gibt Cri Cri die nötige Sicherheit, dass es einen „Notausstieg“ gibt. Diese Gewissheit erleichtert ihm, sich der Herausforderung des Sprunges zu stellen. Das Zurückgehen verstärkt zudem das Gefühl, dass er nicht springen MUSS, sondern, dass er springen KANN! Cri Cri bekommt Zuversicht in den Sprung, und die Sorge, dass er überrumpelt werden könnte, wird geringer. Hiermit geht einher, dass er zunehmend anfängt, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, doch in das Auto einzusteigen

Videosequenz 1:53

Wie Sie sehen können, fängt Cri Cri schon an, ein wenig mit den Vorderbeinen zu tippeln. Er ist schwer am Überlegen, ob er nicht vielleicht doch seine Vorderpfoten in das Auto setzen könnte.

Videosequenz 3:00

Würde ich Cri Cri im aktuellen Zustand zwingen, ins Auto einzusteigen, würde er sich zunehmend dagegen sperren. Sein Meideverhalten würde sich verfestigen.

Videosequenz 3:40

Nicht zu unterschätzen ist meine Einstellung im Training. Ich schaue freudig zum Auto, gehe frohgelaunt und unverzagt dorthin. Über meine Körperhaltung gebe ich Cri Cri Sicherheit, anstatt zu vermitteln „Uiuiui, wie gruselig“.

Videosequenz 3:56

Es sollte kein starres Schema geben, nach dem wievielten Blicke über den Abgrund man wieder auf Abstand geht, um Sicherheit zu bekommen. Das ist der Grund, warum ich auch bereits nach einem einzigen Mal, in dem sich Cri Cri ein Leckerli aus dem Auto herausholt, hier wieder auf Abstand gehe.

Videosequenz 4:39

Ihr seht, dass Cri Cri die Annäherung an das Auto immer leichter fällt.

Videosequenz 5:05

Während ich mich mit Cri Cri dem Auto nähere, lobe ich ihn. Wichtig ist, dabei nicht einfach nur freudig zum Auto zu schauen. Die Verbindung zum Hund reißt dabei nicht ab, ich gucke Cri Cri immer mal wieder ermunternd an und spreche auch mit ihm.

Videosequenz 5:23

Auf keinen Fall sollte Cri Cri nun der Weg aus dem Auto versperrt werden, in dem ich mich breit davor stelle, oder sogar die Autotüre schließe. Er darf so schnell, wie es für ihn wichtig ist, das Auto wieder verlassen.

Videosequenz 5:58

Ich hole Nachschub an Leckerli. Da es andere als zuvor sind, teste ich kurz aus, ob sie Cri Cri überhaupt schmecken.

Videosequenz 7:07

Hier finde ich schön, dass Cri Cri schon an meinen Beinen vorbei, versucht, ins Innere des Autos zu gucken.

weitere infos zur arbeit von mirjam cordt findet ihr auf ihrer homepage http://www.dog-inform.de/

spannende seminare zum thema des artikels unter http://www.dog-inform.de/seminare-workshops/seminare/mensch-hund-bindung

Mehr zur Bindung Mensch-Hund gibt es in Band 2 „Der Mensch als Bindungspartner und Vorbild“, aus der Reihe „Ich halte Dich“ (Verlag Caniversum)

Mirjam Cordt DOG-InForm An den Hesseln 1 D-55234 Erbes-Büdesheim +49-(0)6734-914646 www.verlag-caniversum.de / www.dog-inform.de / info@dog-inform.de

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