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Silberfunken - Gildins Reise ins neue Leben - "Ein Terrier ist kein Kuchenteig!" ...

Teil 18


... kein Training nach Rezept


Natürlich ist nicht nur kein Terrier ein Kuchenteig – kein Hund ist das. Auch wenn sie quasi ausnahmslos jedem noch so gelungenen Baiser beim Faktor „süß“ natürlich den Rang ablaufen.



Grundsätze statt Rezepte


Backe ich nach Rezept (woran ich, das sei hier nur der Ehrlichkeit halber erwähnt, grundsätzlich fulminant scheitere), erhalte ich aus vorgegebenen Zutaten in ziemlich genau bestimmbarer Zeit ein vorbestimmtes Ergebnis. Je nach Qualität der Zutaten, meinen Fertigkeiten in der Verarbeitung und der Genauigkeit in der Einhaltung der Vorgaben habe ich am Schluss mehr oder weniger genau das erwartete Ergebnis.

Steht über dem Rezept „Sachertorte“, werde ich nicht mit Kardinalschnitten enden.

Und damit ist eigentlich hinlänglich erklärt, warum Rezepte nur für unbelebte Dinge wie Sachertorten funktionieren können – auch wenn im Hundetraining stellenweise immer noch Anderes behauptet wird.


Die Arbeit mit einem Lebewesen, einem Individuum, erfordert soviel mehr als das Abspulen weniger, vorgefertigter Abläufe, um dem mir anvertrauten Geschöpf gerecht zu werden. Dass es sich lohnt, hat mir Gildin dieser Tage wahrlich gezeigt.


Die Frage „Wie macht MAN das mit EINEM Hund?“ ist seriös nicht zu beantworten, weil dahinter meist der Wunsch nach Benennung des Knopfes steht, auf den man drückt, um z.B. erwünschtes Verhalten beim Hund auszulösen.

Wesentlich zielführender ist die Frage nach den Grundsätzen des Trainings – und die zeigen, dass es ein gut gefülltes Werkzeugkistchen braucht, und keine Knöpfe.


So flexibel Gildin und ich uns im Training geben, so unverrückbar sind die Grundsätze dahinter, und so gut die Gründe für jeden einzelnen von ihnen.



Aufmerksame Silberfunken-Leser_innen werden von keinem der folgenden Punkte überrascht sein – aber vielleicht von dem Zwischenergebnis, das ich euch im Anschluss nicht vorenthalten will.


Absolute Angst-, Gewalt- und Zwangsfreiheit


Nicht nur bei kleinen, alten Trauma-Terriern, bei KEINEM Hund und KEINEM Thema ist irgend etwas davon zu rechtfertigen oder gar notwendig.


Freiwilligkeit


Kooperation wird dem Hund so leicht wie möglich gemacht, auf dem Level, wie er sie zum jeweiligen Zeitpunkt einzugehen im Stande ist, und niemals forciert oder als Bedingung für die Erfüllung von Grundbedürfnissen eingefordert.



Hinterfragen und Reflektieren


Bei Allem, was Hund lernen soll, sind einige Frage ausschlaggebend: was hat der Hund davon? Warum soll er es lernen? Welches Ziel verfolgen wir damit? Nützt es uns?

Vieles, das ihr in den bisherigen Silberfunken bei uns gesehen habt, mag im ersten Moment keinen besonderen Sinn ergeben haben. Aber jeder Schritt musste zuerst durch diese Fragerunde durch, bevor er stattfinden durfte. In unserem Video werdet ihr einige alte Bekannte wieder finden.


Zeit ist kein Faktor


... bedeutet nicht, dass man sich beim Ausbleiben von Fortschritten damit beruhigen darf und am bisher Versuchten festhält, blind für eigene Trainingsfehler!

Es bedeutet, dass das Tempo in die Richtungen vom Leichten zum Schweren, vom Einfachen zum Komplexen und vom Bekannten zum Unbekannten vom Hund bestimmt wird.

Sollte aus irgendeinem Grund eine zeitliche Vorgabe für ein Trainingsziel existieren (z.B. Abbau von Angst vor lauten Geräuschen vor Silvester) – rechtzeitig beginnen! Zeitdruck vernichtet die Trainingsqualität. Managementmaßnahmen zu überlegen wirkt diesem Stress entgegen.


Achtsamkeit


... hängt besonders mit dem vorhergehenden Punkt eng zusammen. Was heute für Gildin ok war, muss es morgen nicht zwangsläufig auch sein. Zu sehen, was er mir tatsächlich zeigt, und nicht, was ich glaube, gleich zu sehen zu bekommen oder was ich gern sehen möchte, erfordert ganz viel Aufmerksamkeit. Videos helfen, einen Schritt nach außen zu machen und von dort objektiver betrachten zu können.


Verhalten niemals werten


... sondern als das nehmen, was es ist: ein nach außen hin sichtbarer Ausdruck einer Emotion, bei der natürlich gefragt werden muss, wie sie entstand – und, sollte es eine unangenehme Emotion sein, wie ich sie durch eine angenehmere ersetzen kann.


Bedürfnisorientiertheit


Der Hund entscheidet, was Belohnung ist, und was sich für ihn lohnt!


Erfolg möglich machen


Dass Gildin Erfolge haben kann, ist nicht seine Aufgabe, sondern meine. Jede Lernsituation, in die ich mich mit ihm begebe, soll nach menschenmöglichem Ermessen so gestaltet sein, dass Hund erfolgreich sein kann. Ist er es nicht, habe ICH den Fehler gemacht – niemals der Hund! Der Hund ist der Lernende, die Verantwortung liegt bei mir.

Dass Gildin mich dann ab und zu mit einer Draufgabe überrascht, ist sein besonderes Entgegenkommen – und weil er erfahren hat, wie gut sich Erfolg haben und Mutig sein anfühlen!



So, und weshalb betone ich das alles so?


Weil ich weiß, dass gewaltfreies, positives Training ziemlich unspektakulär aussieht.

Deshalb schafft es bis auf wenige Ausnahmen auch nicht den Sprung in große TV-Formate, aber das ist eine andere Geschichte.


Es ist mir wichtig, nochmal deutlich zu machen, dass es so viel mehr ist, als etwas Wurst durch die Gegend zu werfen, dass jedes Schrittchen bedeutsam ist, es nicht zu beschleunigen oder halbherzig durchzuführen ist – und trotzdem (oder eher deswegen) oft überraschend schnell zu Erfolgen führt.



Silberfunken-Leser wissen, wo ich mit Gildin vor 3 ½ Monaten unsere Reise begonnen habe – und für uns Menschen ist das Folgende ein Riesenschritt.

Gildin findet es nämlich in Ordnung, während des Trainings – abgesehen von der Leckerlinahme – meine Hand zu berühren und berührt zu werden.

Ich muss euch gleich sagen – für den kleinen, alten Terrier war das keine große Sache, nichts Sensationelles, weil er, anders als wir, Trainingsschritte nicht bewertet.

Für mich als Terrier-Adoptivmama war es natürlich ein phänomenaler Moment …



Dass Gildin sich hier dazu entschlossen hat, auf diesen Trainingsschritt einzugehen, hat er mir mit vielen Kleinigkeiten vorangekündigt. Bei einem traumatisierten Hund probiert man nicht mal eben so etwas aus.


Wie hat er das gemacht?


Er konnte ohne Probleme über meine Beine klettern, wenn ich sie sitzender Weise in unsere Bewegungseinheiten eingebaut habe. Er hat begonnen, mich ganz leicht zu stupsen, wenn er mit einer Übung schon beginnen wollte.



Er kommt seit Wochen nicht nur erwartungsvoll an, wenn es ans Training geht, er beginnt, es einzufordern – weil es sich für ihn einfach gut anfühlt. Er steigt gern auf neue Herausforderungen ein, und kann gelassen „Genug jetzt“ anzeigen.



Berührungen am Rücken durch z.B. den Vorhang bereiten ihm kein Unbehagen (welches ja auch immer schmerzbedingt sein könnte!). Annäherung von der Seite mag er nicht (ich vermute ein eingeschränktes Gesichtsfeld), weshalb die Hand sich hier – entgegen häufiger Empfehlung – von oben anbietet. Als Terrier arbeitet er gerne mit dem Kopf und taucht dabei problemlos unter Gegenstände.

Für ihn war es einfach eine weitere, gut belohnte Übung in einer Wohlfühl-Situation – und dorthin haben uns unsere Grundsätze, kein Rezept geführt!





 
 
 

1 Comment


Ich finds einfach so großartig! <3 Sein Tempo, seine Entscheidungen, seine Motivation und seine unaufhaltsame Neugier... und dazu Deine achtsame Begleitung! Es macht solche Freude, euch dabei ein kleines bisschen zusehen zu dürfen. :)

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