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Silberfunken - Gildins Reise ins neue Leben - die ersten Tage

Aktualisiert: 24. März 2021

Teil 2

Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.


Den ersten Schritt ging der kleine Sir Gildin definitiv nicht freiwillig. Egal wie schrecklich die Ecke in der „Hütte“ im ebenso schrecklichen Tierheim war – alles außerhalb ist noch viel schrecklicher.


Die Sache mit der Dankbarkeit...

Niemals dürfen wir bei direkten Adoptionen vergessen, dass sie niemals die Wahl der Hunde sind. In einer Box in meinem Auto zu landen war definitiv nicht Gildins Plan vom Leben, er zeigte sich daher verständlicher Weise weder dankbar noch erfreut, sondern zuerst seine Zähnchen und dann seinen Popsch.


Ich wüsste gerne, wo dieses Klischee vom dankbaren Tierschutzhund herkommt, der sich nach der neuen Familie gesehnt hat. Von Hunden wie Gildin mit Sicherheit nicht. Recht hat er. Er muss nicht dankbar sein, weil ihn jemand aus seiner schrecklichen, aber wohl vertrauten Umgebung, in der er die Schrecknisse wenigstens kannte, entführt hat.

Zuhause ankommen...was ist Zuhause?

Die Einzigen, die bei Ankunft das Gefühl des Heimkommens hatten, waren wohl wir Zweibeiner und das Mirli, ihres Zeichens große Schäferschwester des kleinen Sir Gildin.

Der einzige sichere Weg, einen nicht anfassbaren Hund wie Gildin ins neue Heim zu bekommen, ist der

Transport mitsamt Box in einen abgesicherten Raum.

Viele „am ersten Tag im neuen Heim entlaufen“-Meldungen blieben uns so erspart...


Willkommensparty...nein danke!

Weder die vorhandene Hundetruppe, noch die Oma, die Freunde, die Nachbarn oder sonst irgendwer kommt „Hund schauen“. Ich verbiete das nicht aufgrund meiner misanthropischen Veranlagung, sondern weil es für Gildin kein Willkommen, sondern die Erfüllung seiner schlimmsten Befürchtungen wäre.


Das beliebte „Da muss er durch, dann sieht er, das ihm das nichts macht!“ ist keine harmlose Hundewiesenweisheit (die durften sowieso nicht mit auf unsere Reise!), sondern flooding. Reizüberflutung bis zur Aufgabe. So wenig nett, wie es klingt, auch wenn das Ergebnis „brav“ aussehen mag.


Schlaf, Gildin, schlaf...

In dem Zimmer liegt nun ein vollkommen erschöpfter, kleiner, alter Hund in seiner Reisebox.

Ich habe ihn nicht „ausgeladen“ – es wird die erste Entscheidung sein, die er hier selbst trifft, wann es

Zeit ist, sie zu verlassen. Ihn aus der Box ins ach so schöne Bettchen zu schütten würde dem Bettchen

jeglichen Komfortcharakter nehmen. Dinge wie eine Box im Zimmer einfach hin zu nehmen gehören dazu.


Mensch und Hunde ziehen sich zurück, ein vorsichtiger Blick etwas später zeigt – der kleine Kerl schläft.

Schlafen zu können ist ein enormer Faktor auf der Habenseite und nicht selbstverständlich.


Am nächsten Tag bezieht Gildin ein Eckchen vor meiner Badezimmetür. Dort träumt er zum ersten Mal und beginnt damit, zu verarbeiten.

DAS war ein „Was, wenn...?“, das ich nicht bedacht hatte. Mein Mann ist so lieb und lässt mich sein Bad benutzen.


Später am Tag zieht Gildin weiter in das mit einem Decken-Baldachin überspannt Ortho-Bettchen.

Ich würde ihn SO gerne loben, aber ich nehme mich zusammen – der Belohnte entscheidet, was Belohnung ist. Und das ist in dem Fall, dass ich mich nach einem verzückten Blick verziehe – und mich mit dem Gedanken beschäftige, wie ich jetzt in meinen Kleiderschrank komme, dessen Tür den Decken-Baldachin hält...

Gassi? Nein.

Wie, Gassi nein? Der muss doch seine Geschäfte erledigen!

Einen traumatisierten Hund in ein Geschirr zu stecken und vor die Tür zu bringen ist genauso wie die Sache mit der Willkommensparty. Ein No-go.


Inkontinenz-Betteinlagen bzw. Wickelunterlagen pflastern das Zimmer und erfüllen ihren Zweck. Heimlich, wenn niemand in der Nähe oder wach ist, erledigt Sir Silberfunke seine Notwendigkeiten, und schiebt anschließend die benutzte Unterlage mit der Nase zu einen Knäuel zusammen. Ich bin hingerissen, aber verziehe mich still und freu mich draußen.


Kleine Geschenke...

Jedes Mal, wenn ich das Zimmer betrete, lass ich etwas da. Abgesehen vom Futterschüsselchen kleine Wurst- oder Bratenstücke, immer in Reichweite. Es ist mir zu Beginn völlig gleich, WAS er isst – Hauptsache, er kann es annehmen.

Den Hund zum Verlassen seines sicheren Hafens durch Abstellen des Futters in der anderen Ecke ist schlicht unfair. Hungern oder sich Fürchten fällt nicht unter freie Auswahl! Das hatte er in Bulgarien zehn Jahre lang, dafür hätte er nicht hierher reisen müssen.

Dass er Nahrung zu sich nimmt und die Lösestellen annimmt zeigt mir, dass er die Sache mit dem Leben noch nicht völlig abgeschrieben hat. Tapferer kleiner Kerl.

Eine kleine Spur aus Wurststückchen hat mir geholfen, den für Gildin ertragbaren Abstand von Futter und Potty-Unterlage zu seiner Höhle herauszufinden – bis dahin, wo sie nach einigen Stunden aufgegessen war, ist es für ihn gangbar.


Die nächsten Silberfunken werden berichten, wie sich das bewährte...




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